guest-artist: Kurzgeschichte von Tobias Ilg

Part 3 / 4

Ode an FReiburg oder: Mein erster Tag in der schönsten Stadt der Welt

Grölende Menschen stellten sich mir in den Weg. Rot-schwarze Schals um den Hals, Fahnen in gleicher Farbe in der linken und „Tannenzäpfle“, dem typischen Bier, in der rechten Hand. Alle warteten auf eine Sonderstraßenbahn zum Dreisamstadion, einem kleinen Schmuckkästchen, in welchem in den 1990ern die Breisgau-Brasilianer wirbelten, heute allerdings nur noch triste Ballschieberei produziert wird. Wer nicht Bahnfahren, aber dennoch „auf Nord“ dem „SC“ Anfeuerungsparolen entgegenfeuern wollte, würde, wie sollte es auch anders sein, mit dem Fahrrad fahren. Auf einem der vielen Fahrradwege immer der Dreisam entlang, vorbei an Spiel- und Bolzplätzen, einer Brauerei und Wohnheimen, sei dies die geruhsamste Variante. Ich trennte mich nur schwer vom Münstermarkt, schob mich durch die Massen in Richtung Augustinerplatz. An diesem wundersamen Ort fanden sich Menschen jeglichen Alters ein. Studenten saßen auf den Treppen und diskutierten. Gelegentlich huschte ein stadtbekannter Mann durch die Reihen und pries Oettinger-Bier und seine Autobiographie an.


Musiker standen am Rand und sorgten für rhythmische Gitarren- und Trommelklänge. Einige Streuner zogen, begleitet von einem Rollkoffer und einer Alkoholfahne, umher und pickten Pfandflaschen aus den Mülleimern. Kinder verzierten die Pflastersteine mit farbiger Kreide und so manche wohlsituierte Dame saß, mit großer dunkler Brille geschmückt, im angrenzenden Café. Auf einmal riss mich ein Gedanke aus meinen Träumen. Mir wurde bewusst, warum ich überhaupt hier war. Schleunigst marschierte ich strikt in Richtung Campus der geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universität. Ich passierte den Platz der Weißen Rose, grüßte Aristoteles und Homer an der Eingangstür eines Kollegiengebäudes und schritt ein in einen kirchenähnlichen Bau. Das Kollegiengebäude IV sollte in Zukunft mein Wohnzimmer werden. Ich begrüßte den Pförtner, durchschritt das erste Mal die unzähligen Bücherregale. Griff willkürlich ein Buch heraus, blies den Staub ab und schlug es auf. Ich fühlte mich das erste Mal wie ein Student.

Fortsetzung folgt... 

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© Text: Tobias Ilg
© Bild: ringofarrago